PROgress in Science and Education with Ceramics ist das interdisziplinäre Spezialisten-Netzwerk für metallfreie Versorgungen und wird sich 2024 ganz der Minimalinvasivität widmen. Denn neue Technologien und Materialien ermöglichen heute ganz neue Spielräume und viel schonendere Präparationsformen, von denen alle Patientinnen und Patienten profitieren sollten. Startschuss war Ende November der PROSEC Workshop Minimalinvasive Indirekte Versorgungen an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Düsseldorf für Zahntechniker und Zahnärzte mit den Referenten Univ.-Prof. Dr. Petra Gierthmühlen (Klinikdirektorin) und Oberarzt Dr. Frank Spitznagel.

Minimalinvasive Pionierarbeit
Als Prof. Dr. Petra Gierthmühlen anfing über minimalinvasive Versorgungsmöglichkeiten zu forschen, wurde ihr mit viel Skepsis begegnet: „Ich musste unheimlich viel Forschung machen, um zu beweisen, dass Minimalinvasiv funktioniert und habe sehr früh angefangen das klinisch umzusetzen. Heute ist es in aller Munde“, erinnerte sich die Referentin an ihren Weg zurück. Dabei gingen mit der Minimalinvasivität laut Gierthmühlen deutliche Vorteile einher: „Wenn man einen Frontzahn für eine konventionelle Krone präpariert, trägt man fast 70 % ab. Das ist in meinen Augen viel zu viel! Der Abtrag der Zahnhartsubstanz lässt sich mit Veneers deutlich minimieren. Es ist nur ein Viertel oder zumindest nur die Hälfte wie bei einer konventionellen Krone. Vor allem bei jungen Patienten ist das absolut erstrebenswert. Wir wollen bei der Präparation immer im Schmelz bleiben. Die meisten Behandlungen sind so ohne Anästhesie möglich.“ Nur 10 % der Gesamtveneerfälle seien ohne Präparation lösbar. Beim Rest der Fälle müsse man die Präparation eben minimalinvasiv umsetzen.

Vorteile digitaler Behandlungskonzepte
„Was digital an Morphologie möglich ist und wie präzise das beim Fräsen umgesetzt werden kann, das ist heute wirklich faszinierend“, zeigte sich Gierthmühlen von den neuen technologischen und materialseitigen Entwicklungen beeindruckt. In einen Facescan könne mittlerweile die korrekte anatomische Lage des Oberkiefers dreidimensional übertragen werden, sodass Restaurationen bei einer Bisshebung in der korrekten vertikalen Dimension designt werden könnten. Auch die Mock-up-Einprobe könne so erst einmal virtuell stattfinden und im Anschluss wirtschaftlich CAD/CAM-gestützt gefertigt werden, um die Funktion und Ästhetik am Patienten zu kontrollieren. „Die Präzision, mit der heute durch die digitale Welt Mock-ups gemacht werden können, macht große Arbeiten natürlich extrem vorhersagbar“, sagte Gierthmühlen gerade im Hinblick auf komplexe Gesamtsanierung und untermauerte dies mit zahlreichen klinischen Fallbeispielen und einer Übersicht über die aktuelle Studienlage.

Minimalinvasiver „Materialdschungel“
Dr. Frank Spitznagel gab einen Überblick über die Materialien, die mittlerweile für den digitalen Workflow zur Verfügung stehen. „Man kann nicht sagen one fits all. Jedes Material hat auch seine Berechtigung. Da geht es beispielsweise um finanzielle Möglichkeiten, die Stumpffarbe, den Defekt und die minimalinvasive Präparationsform“, beschrieb Spitznagel die Entscheidungsfindung. Es sei ein Spagat zwischen Festigkeit und Ästhetik sowie der Frage, ob dieses chairside oder laborseitig zum Einsatz kommt. Steckbriefartig beschrieb Spitznagel die unterschiedlichen Materialklassen, ging auf deren Gefügestruktur und Eigenschaften ein und bewertete deren Eignung für minimalinvasive Versorgungsformen. Er vertiefte dies mit der aktuellen materialwissenschaftlichen und klinischen Studienlage sowie unterschiedlichen klinischen Fällen. Monolithische Einzelzahnrestaurationen aus hochfestem Zirkondioxid schnitten nach der aktuellen Datenlage interessanterweise klinisch nicht besser ab als die aus Glas- oder Hybridkeramik.

Neue Präparationsformen
„Für keramische Teilrestaurationen muss aufgrund der Fortschritte in der Adhäsivtechnologie nicht mehr retentiv präpariert werden. Der klassische Isthmus ist nicht mehr notwendig. Okklusal sollte anatoform eingekürzt werden“, beschrieb Spitznagel die neue Präparationsweise. Restaurationsränder sollten außerdem im Schmelz liegen, damit Restaurationen einer möglichst hohen Bruchlast standhalten. Federränder und ungleichmäßige Schichtstärken im Randbereich sollten vermieden werden. Ansonsten gilt laut Spitznagel: „Keramiken mögen abgerundete Innenkanten und keine scharfen Spitzen. An den Präparationsrändern führen wir eigentlich immer eine Hohlkehlpräparation durch. Bei minimalinvasiven Präparationen bleiben wir – wenn möglich – supragingival, in der ästhetischen Zone epigingival und wenn Defekte da sind mit 0,5 Millimetern auch mal leicht subgingival.“ Spitznagel demonstrierte im Anschluss die Präparation eines Full-Veneers und Onlays, was die Teilnehmenden im Anschluss selbst am Phantomkopf durchführten.

Minimalinvasiver Paradigmenwechsel
Das Referentenduo Gierthmühlen-Spitznagel bot ein theoretisches und praktisches Komplettpaket, das fundiert deutlich machte, dass Minimalinvasiv funktioniert und dabei die neuen verfügbaren digitalen Technologien und Materialien ganz neue Möglichkeiten bieten. Gierthmühlen äußerte am Ende ihres Vortrags deswegen einen Wunsch: „Mein Betätigungsfeld mit Tabletops, Veneers, Inlays, Onlays, Teilkronen und Adhäsivbrücken ist im Vergleich zu den gängigen Kronen und Brücken immer noch eine Nische. Ich hoffe, dass Sie sich nach diesem Kurs mehr in diesem minimalinvasiven Betätigungsfeld bewegen und ab nächster Woche mehr von diesen Restaurationen umsetzen.“

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